Gedenkbuch 2011

Golda Fröhlich geborene Hartog

Curt H. Hartog, St. Louis (USA)

Golda Fröhlich

Goldine oder Golda Hartog kam am 7. Juni 1889 in Haaren als erstes Kind der Eheleute Albert Hartog (16. April 1857 - 27. Januar 1938) und Johanna (genannt Bertha) Holländer (4. September 1862 - 1. Juni 1894) zur Welt.

Golda wurde nach ihrer Großmutter Goldine Salmang (3. Dezember 1824 - 3. August 1862), der ersten Frau ihres Großvaters väterlicherseits, Moses Hartog (22. Dezember 1824 - 1910) benannt. Albert und Johannas zweites Kind Emil (6. Dezember 1890 - 29. Januar 1943) wurde ebenfalls in Haaren geboren. Johanna kam ursprünglich aus Eschweiler und gebar noch zwei weitere Kinder bevor sie plötzlich an einem schweren Herzinfarkt starb: Marta (21. März 1892 - 1995) und Eugen (12. Mai 1893 - 23. August 1916).

Nach Johannas Tod zog ihre jüngere Schwester Eva Holländer in das Haus der Familie Hartog, um sich um die Kinder zu kümmern. Sie und Albert heirateten im Jahr 1895. Eva war eine starke Frau, die mit Albert sieben weitere Kinder hatte: Selma (28. Februar 1895 - 20. Oktober 1978), Gustav (23. Dezember 1897 - 12. August 1942), Meta (20. Dezember 1898 - 25. September 1968), Berthold (genannt Bert) (11. April 1901 - 19. Oktober 1997), Curth, später Curt, (3. August 1902 - 19. Juli 1988) und die Zwillinge Ewalda (15. August 1904 - 13. März 1984) und Johanna (15. August 1904 - Juni 1988). Die Familie lebte in der Hindenburgstraße 49, der heutigen Theaterstraße.

Obgleich Golda zu einer Leitfigur für ihre Geschwister wurde, ist doch über ihre frühen Lebensjahre wenig bekannt. Es muss schwer für sie gewesen sein, ihre Mutter gerade fünf Tage vor ihrem fünften Geburtstag verloren zu haben und sich nur etwas über ein Jahr später an eine neue Stiefmutter zu gewöhnen, die auch ihre Tante war. Es muss auch für ihren Vater Albert Hartog schwierig gewesen sein. Er war offenbar ein strenggläubiger Mann und sorgte gut für seine Familie, auch wenn sein Viehhandelsunternehmen ihn oft von der Familie fort und nach Belgien führte. Eva, intelligent und kompetent, wurde zu einem Anker für ihre Familie in den schwierigen Zeiten, die folgen sollten.

Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 brachte Alberts Betrieb zum Schrumpfen, und die Familie erlebte dieselben Erschütterungen und Härten wie viele andere deutsche Familien. Die älteren Jungen, Eugen und Gustav, gingen zum Militär.

Die Töchter der Familie Hartog verließen Aachen während des Krieges, was ihr Leben dramatisch verändern sollte. Golda schloss sich der deutschen Kommunistischen Partei an, eine Handlung, die einen starken Einfluss auf einige ihrer Schwestern und Brüder haben sollte.

1914 oder zuvor, als sie noch in Aachen lebte, begann Golda als Buchhalterin zu arbeiten. Sie zog bald nach Leipzig, wo sie als Finanzbuchhalterin in einem Kaufhaus eine Anstellung fand.

Im Jahr 1916, mit 26 oder 27 Jahren, wurde sie die Managerin der Finanzabteilung. Ihre Schwester Selma kam zu ihr nach Leipzig und wurde mit Goldas Hilfe ebenfalls in der Finanzabteilung eingestellt. Im selben Jahr zog Golda allerdings nach Chemnitz in Sachsen um, circa 85 km südöstlich von Leipzig. Dort wurde sie Mitglied im Spartakusbund für junge Kommunisten. Ihre Mitgliedschaft geht wahrscheinlich auf die Zeit des Beginns der Russischen Revolution im Februar 1917 zurück, als der Zar durch eine provisorische Regierung ersetzt wurde und im Oktober 1917 die Bolschewiken die Macht an sich rissen. Golda behielt ihre Mitgliedschaft auch als 1919 der Spartakusbund in der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) aufging und diese der Komintern (Kommunistische Internationale) beitrat.

Im September 1918 brachten Goldas Eltern ihre vier Schwestern Selma, Meta, Johanna und Ewalda zu ihr nach Chemnitz. Albert und Eva hatten Angst um die Sicherheit der Mädchen, da die alliierten Truppen einen schnellen Vormarsch auf die deutsche Grenze begannen. Die Mädchen erfuhren kein Unheil von den Alliierten, aber Golda stellte ihnen radikale Studenten und russische Exilkommunisten vor. Nachdem ihre Mutter Eva Hartog sie im Jahr 1918 nach Aachen zurück gebracht hatte, traten Selma und Johanna in die Kommunistische Partei ein.

Bis zum Jahr 1922 war Golda nach Berlin gezogen, um für das Zentralkomitee der KPD zu arbeiten. Ihre Arbeit bei der Handelsvertretung der UdSSR in Berlin brachte sie nach Hannover, Nürnberg und Frankfurt am Main, wo sie wahrscheinlich ihren zukünftigen Mann, Horst Fröhlich, geboren am 19. Januar 1891 in Ratibor und ein radikaler Linker, kennen lernte.

Seine Karriere hatte einen ähnlichen Weg in die Politik genommen über das Verlagswesen, redaktionelle Arbeit, Journalismus und Propaganda.

1924 oder 1925 heirateten sie. Im Jahr 1926 kamen Johanna und Ewalda zu ihnen nach Berlin. Zwischen 1926 und 1928 bewarben sich Golda und Horst beide mehrfach um Positionen am Marx-Engels-Lenin Institut in Moskau. Goldas und Horsts Bewerbungen wurden schließlich angenommen, und sie zogen 1931 nach Moskau, wo Golda bis zum Jahr 1936 als Redakteurin arbeitete. In jenem Jahr wurde sie plötzlich in eine Anklage hineingezogen, die die Partei gegen ihre Schwestern Selma und Johanna erhob.

Um zu verstehen, was mit Golda geschah, bedarf es einer kurzen Zusammenfassung der Lebensgeschichten der Schwestern, die zu der Anklage von 1936 führte.

1918 war Selma aus Chemnitz nach Aachen zurückgekehrt. Im Jahr 1922 heiratete sie und zog mit ihrem Ehemann Kurt Classe nach Berlin. Sie hatten Schwierigkeiten, Arbeit zu finden und zogen daher Ende 1934 nach Prag, wo Selma vom Zentralkomitee der Kommunistischen Partei angestellt wurde. Das Komitee wies sie an, mit Kurt im Dezember 1935 nach Moskau zu ziehen. Dort arbeitete sie für Walter Ulbricht als Chefredakteurin für eine Verlagskooperative, die auf Fremdarbeiter in der Sowjetunion ausgerichtet war.

Im April 1937 wurden Selma und Kurt in die Stadt Engels nach Russland geschickt, wo sie zunächst für einen deutschen Verlag arbeiteten. Engels, bis 1931 bekannt als Pokrowsk, ist eine Hafenstadt etwa 320 Kilometer nördlich von Wolgograd, dem späteren Stalingrad, an der Wolga. Die Stadt war Zentrum für eine große deutsche Bevölkerung, die sich in dieser Region im Laufe der Geschichte niedergelassen hatte. Als die sogenannte Autonome Sozialistische Sowjetrepublik der Wolgadeutschen, heute Teil von Saratow Oblast, nach der Revolution gegründet wurde, wurde Engels zu ihrer Hauptstadt.

Goldas Zwillingsschwestern Johanna und Ewalda verließen Aachen 1926 ebenfalls und kamen zu Golda nach Berlin. Ewalda hatte eine Arbeit in der Krankenpflege gefunden.

Johanna, viel politischer gesinnt, trat der KPD bei. Sie wurde außerdem Mitglied anderer kommunistischer Organisationen wie der Roten Frauen, des Mädchenbundes, der Roten Hilfe, einer Gewerkschaft und eines Sportvereins. Im Jahr 1929 traf sie Walter Wilkie und heiratete ihn. Walter arbeitete für die regionale Führung der kommunistischen Partei und wurde als politischer Kollaborateur verfolgt. Überwacht durch die Polizei und wissend, dass eine Verhaftung kurz bevor stand, emigrierten Johanna und Walter 1931 nach Moskau. Ewalda folgte ihnen.

Alle drei fanden dort Arbeit, wurden aber 1934 von der Partei nach Engels beordert, in dieselbe Stadt, in die Selma drei Jahre später geschickt werden würde. In Engels arbeitete Johanna bis 1936 als Vizedirektorin der deutschen Verlagsanstalt. Sie wurde festgenommen, nachdem ein Genosse sie wegen der Lektüre eines Buches von Trotzki angezeigt hatte. Diese Anschuldigung änderte nicht nur Johannas Leben und führte vielleicht zur Verhaftung von Selma, sondern fand ihren Widerhall auch in Moskau. Dort hatte Golda erfolgreich am Institut gearbeitet und wurde sogar in die sowjetische kommunistische Partei, die KPdSU (Bolschewiki), aufgenommen.

Im November 1936 wurde Golda aus der Partei ausgeschlossen, auch wenn sie noch kurze Zeit als Redakteurin arbeitete. Sie wurde allerdings bald vom NKWD, dem Innenministerium der UdSSR, festgenommen. Ihre Verhaftung und ihr Ausschluss aus der kommunistischen Partei scheinen direkt mit der Festnahme ihrer Schwestern in Verbindung zu stehen. Es bleibt jedoch unklar, welchen spezifischen Verbrechens man sie anklagte. Laut der Internetseite www.ddr-biografien.de wurde sie während einer von Stalins Säuberungsaktionen im Jahr 1941 umgebracht. Bert Hartog, der 1960 die überlebenden Schwestern Johanna, Selma und Ewalda und ihre Familien in Ostberlin besuchte, erzählte, Golda sei von Selmas Sohn Ende Dezember 1942 oder Anfang 1943 tot auf den Straßen Moskaus gefunden worden.

Im Gegensatz zu Goldas Tod, ist das Schicksal ihres Mannes Horst Fröhlich klar dokumentiert. Horst wurde im Dezember 1934 nach Deutschland geschickt, um geheime Arbeiten für die KPD aufzunehmen. Dort wurde er am 7. März 1935 verhaftet und im Dezember 1936 zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt. Schließlich wurde er nach Golleschau, dem heutigen Goleszów, einem Außenlager von Auschwitz, überführt und starb dort am 4. Januar 1943.

Soweit bekannt ist, hatten Golda und Horst keine Kinder.

Die Unsicherheit, die mit dem Tod Goldas verbunden ist, ist nicht überraschend. Nachdem Hitlers Truppen Russland im Jahr 1941 überfielen, wurde die Loyalität der naturalisierten deutschen Kommunisten sofort suspekt. Einige wie Selma wurden in die Sowjetische Armee eingezogen und blieben verschont. Andere wie Johanna wurden entwurzelt, von ihren Familien getrennt und zur Zwangsarbeit in sibirische Lager („Gulag“) geschickt. Im September 1941 wurde die Autonome Sozialistische Sowjetrepublik der Wolgadeutschen formell aufgelöst und die meisten deutschen Bewohner wurden nach Sibirien geschickt. Japano-Amerikaner, die in Kalifornien, Washington oder Oregon lebten, erlebten eine ähnliche Behandlung als die Vereinigten Staaten 1941 in den Krieg eintraten.

Doch trotz der düsteren Umstände ihres Todes hinterließ Golda Hartog einen starken Eindruck bei ihrer Familie, besonders bei ihren Schwestern und ihrem Bruder Gustav, der mit den Internationalen Brigaden in Spanien kämpfte und wie sein Bruder Emil in Auschwitz starb.

Johanna, Selma und Ewalda überlebten den Krieg. Alle drei kehrten schließlich von Russland nach Berlin zurück und lebten in der Deutschen Demokratischen Republik, wo sie bis zu ihrem Lebensende blieben.