Ein Gedenkbuch gegen das Vergessen

Von Johannes Leitner

Das Gedenken an die Opfer der Shoah, des Völkermords an Millionen Juden während des Zweiten Weltkrieges, hat in Aachen schon lange einen hohen Stellenwert. Ein Beispiel dafür geben etwa die „Stolpersteine“, die den früheren Wohnort der Opfer auf dem Bürgersteig markieren. Nun hat der Verein „Gedenkbuchprojekt für die Opfer der Shoah aus Aachen“ ein umfangreiches Werk mit vielen Einzelbiografien herausgegeben, das feierlich an Oberbürgermeister Marcel Philipp überreicht wurde.

Zur Begrüßung im Werkmeistergericht des Rathauses erklärte Philipp, dass man den Tag für die Zeremonie bewusst um den 27. Januar gelegt habe, an dem der Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust begangen wird. Unter den Gästen begrüßte der OB auch einige Angehörige von Opfern der Shoah, die teils extra aus dem Ausland angereist waren: die Tochter von Alfred Goldsteen, Janny van Kersen-Goldsteen, mit ihrem Ehmann aus den Niederlanden, den Sohn von Paul Alfred Sternau, Pierre Lellouch, mit seiner Ehefrau aus Frankreich und den in Aachen wohnhaften Enkel von Hermann Levy, der den gleichen Namen wie sein Großvater trägt und ebenfalls mit seiner Ehefrau anwesend war.

Das Buch mit den Biografien trage zur Erinnerung an ein unvorstellbares Verbrechen bei, so Philipp. „Jedes Einzelschicksal erzählt eine eigene Geschichte des Leids. Die Biografien versuchen, es herunterzubrechen und fassbar zu machen. Das ist auch nötig, da die Zeitzeugen immer mehr verloren gehen“, sagte er. Der OB dankte allen, die an dem Werk beteiligt waren, und betonte, dass diese „ein Stück Lokalgeschichte“ geschrieben haben. Zum Schluss verwies Philipp darauf, dass dieses Gedenkbuch in einer Zeit erscheint, in der der Ton in der öffentlichen Debatte rauer und rechtspopulistische Aussagen für manche salonfähig geworden seien. „In dieser Gemengelage sollten wir daher umso mehr den Anfängen wehren“, sagte er.

Nach einem musikalischen Zwischenspiel mit klassischen Gitarrenklängen erläuterte Bettina Offergeld, Vorsitzende des Gedenkbuch-Vereins, den Inhalt und die Entstehung des Buches: „Insgesamt wurden 841 Aachener Jüdinnen und Juden während des Zweiten Weltkriegs ermordet. Das Buch enthält ihre Namen, Deportationswege sowie Ort und Datum ihrer Ermordung. Zu 174 Opfern wurden ausführliche Biografien geschrieben, teilweise von Angehörigen, teilweise von Aachener Bürgerinnen und Bürgern und auch von Schülern.“ Mit diesem Gedenkbuch sei die Arbeit aber noch nicht abgeschlossen. „Unser Ziel ist es, für alle Aachener Shoah-Opfer Biografien zu erstellen“, so Offergeld.

Auch Pierre Lellouch richtete einige Worte an die Gäste, seine Ehefrau übersetzte ins Deutsche. Er erzählte unter anderem, dass in seiner Heimatstadt Nizza in diesem Jahr eine Mauer errichtet werde, auf der die Namen der 3867 Juden stehen werden, die aus der südfranzösischen Stadt größtenteils ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert wurden. Auch sein ursprünglich aus Aachen stammender Vater war darunter. Lellouch dankte für die engagierte Dokumentationsarbeit des Vereins und fügte hinzu: „Es ist sehr wichtig, nicht zu vergessen, was damals passiert ist.“ Nach einer weiteren Gitarreneinlage waren die Gäste im Anschluss zum persönlichen Austausch eingeladen.

Quelle: Aachener Nachrichten, 29.1.2019