Vor Tod des Vergessens schützen
Vierter Band des Gedenkbuchprojektes für die Opfer der Shoah
Aachen. Um nicht zu vergessen, was nicht vergessen werden darf, wurde der vierte Biografienband des „Gedenkbuchproiektes für die Opfer der Shoah aus Aachen e.V." an Oberbürgermeister Marcel Philipp überreicht. Dieser enthält neue Biografien jüdischer Opfer zu Zeiten des Nationalsozialismus aus Aachen. Geschrieben wurden die 51 Lebensbilder von Angehörigen der Opfer und von Bürgern der Stadt Aachen. Der Vorsitzenden des Vereins, Bettina Offergeld, ist es wichtig, dass das Gedenken an die Opfer der schrecklichen Zeit nicht verblasst: „In Aachen wurden 750 Juden, die in der Aachener Synagogen-Gemeinde gelebt haben, ermordet. Und für jeden soll etwas geschrieben werden. Darum ist es besonders wichtig, Kontakt zu Zeitzeugen zu pflegen und zu recherchieren. Das machen wir auch per Internet, denn es setzen sich viele Menschen mit ihrer Geschichte auseinander und gehen auf Spurensuche."
Am 27. Januar 1945 wurde Auschwitz von der russischen Armee erreicht und die Gefangen konnten aus den Konzentrationslagern befreit werden. Das Ausmaß der Katastrophe wurde erst dann richtig sichtbar. Seit dem ist der 27. Januar der internationale Holocaust-Gedenktag. „Die Biografien dokumentieren die dunkle Seite der Stadtgeschichte", betont Marcel Philipp. „Dadurch bekommt man einen Blick hinter die erschreckenden Zahlen, und es ist wichtig, dies zu dokumentieren und weiterzuführen. Auch wenn es leider immer schwerer wird zu recherchieren. Um so wichtiger ist es, die Schicksale vor dem Tod des Vergessens zu schützen." Die Geschichten, die dann aufgeschrieben werden, sind erschreckend und berührend zugleich. So wie die von Erna Groß [eigentlich Roos, Gedenkbuchprojekt] und Leo Baum, die 1936 von Geilenkirchen nach Aachen umgezogen sind und ein angstfreies Leben führten. Vorerst.
Bei dem Brand der Aachener Synagoge 1938 war der Traum vom schönen Aachen schlagartig vorbei. Was folgte, waren Fluchten nach Belgien und Südfrankreich. Das Ehepaar, das zwei Kinder hatte, wurde auseinander gerissen. 1940 zog Erna Groß nach Südfrankreich, da ihr Mann in einem dortigen Lager arbeiten musste. Die Kinder kamen weg - und wurden in Heimen untergebracht. Das war 1942. Bei der Verabschiedung hielt es wohl kaum einer für möglich, dass es das letzte Mal sein würde, dass die Kinder ihre Eltern sahen. Wenig später wurden Erna und Leo Baum in Auschwitz ermordet.
Quelle: Aachener Zeitung, 30. Januar 2013