Deportiert und ermordet: die Aachener Jüdin Lila Blech
Vor rund 70 Jahren brachte ein Zug 278 Juden aus Aachen ins KZ Theresienstadt. Ein Gedenkbuchprojekt erinnert an die Opfer.
Aachen. Der Zug der Reichsbahn trug die Nummer "Da 71". Punkt 9.25 Uhr fuhr er am 25. Juli 1942 los. 278 Juden, Männer und Frauen, wurden aus Aachen in sechs Güterwaggons deportiert, darunter auch die 75-jährige Lila Blech. Über Düren rollte der Zug nach Düsseldorf und wuchs an auf 20 Waggons mit 980 Insassen. Die Gestapo (Geheime Staatspolizei) buchte für die Deportierten bei der Reichsbahn Plätze in Personenwagen der 3. Klasse. Die verfolgten Juden hatten die Fahrkarten selbst für ihren Transport ins Konzentrationslager Theresienstadt in der Nähe von Prag zu bezahlen.
Als der Deportationszug in Theresienstadt ankam, erhielt er die Bezeichnung "VII/2". Nur 61 Menschen von den 980 Verschleppten überlebten den Holocaust. Elf Überlebende davon sind dem Gedenkbuchprojekt für die Opfer der Shoah aus Aachen, initiiert von der Aachener Synagogengemeinde, bekannt.
Theresienstadt war eine komplette Stadt, die von den Nazis zum Judenghetto umfunktioniert wurde. Bei der Wannsee-Konferenz vom 20. Januar 1942 bestimmten die Schreibtischschergen Theresienstadt zum Altersghetto. Neben alten sollten auch schwerkriegsbeschädigte Juden und Juden mit Kriegsauszeichnungen in Theresienstadt untergebracht werden. Die jüdischen Bürgerinnen und Bürger aus Aachen, die am 25. Juli 1942 deportiert wurden, waren vorher im Israelitischen Altersheim und verschiedenen sogenannten "Judenhäusern" unter menschenunwürdigen Bedingungen regelrecht eingepfercht. Das Gedenkbuchprojekt Aachen hat es sich zum Ziel gesetzt, an diese Aachener Opfer zu erinnern. In bisher drei Biografienbänden werden nach und nach die Lebensgeschichten der ermordeten Aachener Jüdinnen und Juden veröffentlicht. Eine davon war Lila Blech.
Über sie schreibt ihr Urenkel Mark Lewis: Lila Bolette Israel wurde am 1. Januar 1867 in Altona als Tochter von Abraham und Rosalie Israel, geborene Kaufmann, geboren. Lilas Vater war Textilhändler. Lila hatte eine elf Jahre jüngere Schwester mit Namen Agnes. Am 4. Februar 1894 heiratete Lila Max Blech, der am 12. März 1865 als zweiter Sohn von Jacob und Rosetta Blech in Wickrath zur Welt gekommen war. Um 1870 zog er mit seinen Eltern und Geschwistern nach Aachen um. Lila und Max Blech hatten zwei gemeinsame Töchter, Clara Thekla und Else Leonie, genannt Elsie, die beide in Aachen zur Welt kamen.
Clara schrieb später in ihren Familienerinnerungen über ihre Mutter: "Mutter war eine attraktive Dame mit dunklen Haaren und hellbraunen Augen. [...] Sie erschien nie in Morgenrock oder Pantoffeln zum Frühstück! Mutter war ausgeglichen - im Gegensatz zu Vater. Noch bevor wir zur Schule kamen, lehrte sie uns zu sticken, um kleine Geschenke für unsere Großmütter herzustellen. [...] Sie war eines von neun Kindern."
"Mutter wurde früh, schon mit neun Jahren, beigebracht, das Tafelsilber zu polieren und alle Kerosinlampen sauber zu halten, das Fußgestell u putzen und den Lampenzylinder zu polieren, obgleich zu allen Zeiten Bedienstete in ihrem Haus arbeiteten. In einem Jahr zu Weihnachten stellte Mutter einen Weihnachtsbaum auf, um die Haushaltshilfe, die im Haus unserer Eltern lebte, zu erfreuen. Vater war aufgebracht, ließ den Baum abbauen und zu einem seiner Arbeiter bringen, der in der Nähe wohnte. Mutter war wirklich verletzt und konnte Vaters Reaktion nicht verstehen."
Lilas Ehemann Max Blech starb bereits im Jahr 1937 in Aachen im Alter von 72 Jahren. Während des Krieges lebte Lila Blech bis zu ihrer Deportation weiterhin in Aachen. Lilas Töchter schafften es, in den USA der Vernichtung zu entkommen. Tochter Clara bemühte sich darum, für ihre Mutter ein Visum zu organisieren, um sie in die USA zu holen.
Doch kurz bevor Lila alle wichtigen Dokumente für die US-Botschaft zusammen hatte, wurde sie am 25. Juli 1942 deportiert. So erklärt sich die Familie jedenfalls die Tatsache, dass sie nie mehr von Lila hörte. Lila starb im Lager Theresienstadt am 12. November 1942. Ihre Töchter überlebten.(dd)
Quelle: Aachener Nachrichten, 25. Juli 2011