Opfer des Holocaust erhalten ein Gesicht
Gedenkbuch-Projekt stellt die erste Ausgabe vor. Morgen jährt sich die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz zum 60. Mal.
Aachen. Am morgigen Donnerstag jährt sich die Befreiung des konzentrationslagers Auschwitz zum 60. Mal. Einmal mehr wird an diesem 27. Januar klar werden, dass Trauer, Erinnerung und "Bewältigung" auch drei Generationen nach dem unfassbaren Völkermord keinesfalls "abzuschließen" sind.
Dies zeigt auch ein lokales Projekt, das jedem einzelnen Aachener Opfer der Verbrechen, welche immer mit dem Namen des polnischen Ortes verbunden sein werden, ein Gesicht geben will. im Rahmen einer veranstaltung ab 18.30 Uhr im Haus der evangelischen Geschichte in der Michaelstraße (wir berichteten) wird das "Gedenkbuch für die Opfer der Shoah aus Aachen 1933-1945" morgen Abend vorgestellt.
Hunderte Aachener wurden zwischen Sommer 1942 und Früjahr 1945 in den Mordfabriken des Hitler-Regimes umgebracht. So wie Ida Abraham, geboren am 23. Oktober 1884, verschleppt im Juli 1942 nach Theresienstadt, Transportnummer VII/2-1, am 12. Oktober weiter deportiert nach Auschwitz-Birkenau, Transportnummer Eq-1083, wo sie am 14. Oktober 1944 ankam. Oder Erich Zwiebel, geboren am 13. September 1899, abgeschoben nach Polen am 28. Oktober 1938, verschleppt in KZ Mauthausen, dort selbst gestorben wenige Tage vor Kriegsende, am 17. April 1945. Der erste und der letzte Name in der Dokumentation, die derzeit insgesamt 1972 Personen jüdischer Herkunft erfasst, welche während der NS-Zeit emigriert oder mit Gewalt aus Aachen fortgeschafft worden sind.
"Wir wollen die Menschen hintern den Namen sichtbar machen", sagt Bettina Offergeld vom verein "Gedenkbuchprojekt für die Opfer der Shoah aus Aachen". Bislang konnten die Initiatoren - neben Offergeld engagieren sich Jessica Gründig, Dietrich Hofmann, Norbert Keufgens, Maren Müller-Keufgens und Judith Ulmer für das ambitionierte Vorhaben - bei ihren Recherchen in zahlreichen Archiven und Gesprächen mit Zeitzeugen und deren Angehörigen genau 670 Ermordungen definitiv dokumentieren. Über zwei Schicksale wollen sie am Donnerstag exemplarisch berichten.
Erstmals ist damit auch das Gedenkbuch, dessen Deckel mit einer aus Acryl, Kreide und Kohle geschaffenen Zeichnung der Erkelenzer Künstlerin Janice Orth gestaltet worden ist, für alle Interessierten erhältlich - nicht zuletzt als Anstoß für mögliche neue Erkenntnisse: "Rund 830 Schicksale", weiß Offergeld, "konnten noch immer nicht geklärt werden. Wir hoffen, dass wir das Werk kontinuierlich vervollständigen und es auch mit Kurzbiographien ergänzen können."
Quelle: Aachener Zeitung, 26. Januar 2005