Peppie Wächter geborene Hausmann
Bernhard Wächter
Leo Wächter
Von Corinna Broeckmann, Aachen
Peppie Hausmann wurde am 16. Mai 1884 als eines von sechs Kindern der Eheleute Joseph, genannt „Yossel“ und Rosa Hausmann, geborene Braverman, in Nowica, Ost Galizien, geboren.
Mit 21 Jahren heiratete Peppie im Februar 1906 den Kaufmann Bernhard Dov Wächter aus Rożniatów in Polen, geboren am 22. März 1881, der bereits im Jahr 1902 dauerhaft nach Stolberg (Rheinland) gezogen war und später im Ersten Weltkrieg als Soldat kämpfte.
Sie hatten zusammen sieben Kinder Berta, genannt „Bertel“, geboren am 4. Januar 1907, Leo, geboren am 5. Oktober 1908, Sarah, genannt „Sala“, geboren am 12. April 1910, Moritz, geboren am 9. Juli 1911, Lena, genannt „Leni“, geboren am 21. September 1912, Regina, geboren am 21. August 1914 und Isidor, geboren am 1. Oktober 1920.
Im Jahr 1924 erwarb Bernhard Wächter für sich und seine Familie die deutsche Staatsbürgerschaft, nachdem er in Stolberg Haus und Grund gekauft hatte.
Die Familie Wächter lebte gut in Stolberg. Nachdem Bernhard Wächter zunächst mit Kurzwaren gehandelt hatte, erwarb er in den 1920er Jahren zwei Wohn- und Geschäftshäuser und verkaufte dort Schuhwaren. Sein Geschäft befand sich im Steinweg in Stolberg. Für kürzere Zeit hatte er ein zweites Geschäft am Mühlener Markt. Außerdem hatte er in Aachen in der Alexanderstraße 76/78 und in Alsdorf, in der Bahnhofstraße 56, zwei Schuhwarenfilialen. Offenbar waren die älteren Kinder ebenfalls in den Geschäften des Vaters aktiv. Bernhard kaufte außerdem ein Wohnhaus am Oberstolberger Markt, das er vermietete, während die Familie im Geschäftshaus am Steinweg die erste und zweite Etage bewohnte.
Aufgrund einer Anordnung des Innenministeriums vom 14. Juli 1933 wurde die Einbürgerung von Menschen während der Weimarer Republik überprüft. Für die Familie Wächter bedeutete dies eine ungewisse Zeit. Am 23. März 1934 wurde Bernhard Wächter vom Regierungspräsidenten schließlich mitgeteilt, dass seine eigene und die Einbürgerung seiner Familie widerrufen worden sei. Im September 1934 entschloss sich Bernhard Wächter, Widerspruch einzulegen und begründete diesen damit, dass er bereits seit 1902 in Stolberg lebe und „seit dem 7. April 1923 unter der Firma Bernhard Wächter im Handelsregister eingetragen sei.“ Er wies auch auf seine Militärdienstzeit im österreichischen Heer hin, darauf, dass er für 20.000 Reichsmark deutsche Kriegsanleihen gezeichnet habe und dass sein jüngster Bruder Isidor 1915 für Deutschland gefallen sei.
Inzwischen hatte ein neuer Bürgermeister in Stolberg die Geschäfte inne, der besonders von der Kriegsanleihe beeindruckt war und die Familie Wächter in ihrem Anliegen unterstützte. Schließlich wurde die ausgesprochene Ausbürgerungsverfügung durch den Regierungspräsidenten wieder zurückgenommen, und die Familie Wächter erhielt ihre deutschen Reisepässe zurück.
Die Söhne der Familie Wächter besuchten wie ihre Schwestern zunächst die Volksschule und gingen danach zum Gymnasium. Bertel, Sala, Leni und Regina besuchten das Lyzeum in Stolberg. Alle Kinder erwarben die Mittlere Reife.
Seit Februar 1933 wohnte Peppie Wächter mit ihren Kindern Bertel, Sala, Regina und Isidor in Aachen in der Komphausbadstraße 2-4.
Leo arbeitete 1934 als Filialleiter bei der Rotins-Schuhgesellschaft in Leipzig, während Moritz als Einkäufer beim Kaufhaus Jakob Fruchtmann in Meuselwitz/Thüringen beschäftigt war.
Bernhard Wächter blieb mit seiner Tochter Leni zunächst in Stolberg wohnen, bis er im Oktober 1934 beschloss, ebenfalls nach Aachen umzuziehen. Die Familie zog wahrscheinlich gemeinsam in die Alexanderstraße.
Die Familie Wächter wurde von den Nazis gezwungen, Wohnraum zu vermieten, so dass in ihrem Wohnhaus in der Alexanderstraße im Jahr 1938 zusätzlich fünf nicht-jüdische Familien untergebracht waren.
Die Geschäfte gingen mit den Jahren immer schlechter. Das Geschäft im Steinweg in Stolberg wurde von den beiden ältesten Töchtern Bertel und Sala geführt. In der zweiten Jahreshälfte 1938 wurde das Geschäft in Stolberg systematisch durch angeordnete Belieferungskürzungen zur Aufgabe gezwungen. Von Januar bis April 1939 wurde der verbliebene Warenbestand mit Unterstützung der Industrie- und Handelskammer an „arische“ Geschäftsleute verkauft. Die Arisierung des Wohn- und Geschäftshauses in Stolberg sowie des Wohnhauses am Oberstolberger Markt ging bis Mai 1939 vonstatten. Die Gebäude und Grundstücke wurden etwa 30% unter dem Einheitswert veräußert.
Moritz Wächter wurde am 10. November 1938 in Aachen verhaftet und ins Konzentrationslager Buchenwald gebracht, kam jedoch zurück.
Die Kinder betrieben nun verstärkt die Auswanderung.
Im Jahr 1941 wurden Peppie und Bernhard Wächter in das Lager „Grüner Weg“ eingewiesen. Sie erhielten noch hin und wieder einige Lebensmittel von einer Bekannten aus Stolberg. Am 15. Juli 1942 wurde das Ehepaar Wächter „nach Osten“ deportiert. Sie gelten seitdem als verschollen.
Leo Wächter heiratete am 26. Dezember 1936 Runia Kestenbaum. Er emigrierte später weiter nach Amsterdam und wurde von den Niederlanden aus vermutlich zusammen mit seiner Frau am 6. September 1944 mit Transport Nr. XXIV/7 nach Theresienstadt und von dort am 29. September 1944 mit Transport EI weiter nach Auschwitz deportiert. Er starb wahrscheinlich während einem der Todesmärsche 1944/45 vom KZ Flossenbürg in der Oberpfalz.
Leos Frau Runia arbeitete in der Munitionsfabrik „Union“ in Auschwitz und überlebte die Shoah. Sie emigrierte später nach Australien.
Seine Geschwister Bertel, Sala, Moritz, Leni, Regina und Isidor überlebten und emigrierten in die USA, nach England und nach Australien. Bertel heiratete im August 1938 Arthur Sauerbrunn und zog mit ihm in die USA. Sie lebte noch 2008 in Tennessee/USA. Sala zog nach Sydney/Australien und heiratete dort. Auch sie lebte 2008 noch in Australien. Moritz heiratete in den USA und starb 2006 in Atlanta/Georgia. Leni heiratete 1949 in den USA. Regina heiratete 1946 in London und zog später in die USA. 2008 lebte sie in Chicago. Isidor war nie verheiratet, zog jedoch in die USA und wurde möglicherweise wegen Spielschulden 1965 in Las Vegas ermordet.