Ernst Schönbrunn
Anna Schönbrunn geborene Goldschmidt
Hella Schönbrunn
Von Renate Ernst-Teng, Aachen
Ernst Schönbrunn wurde am 9. Juli 1878 in Bedburg an der Erft geboren. Er war das zweite Kind von Heinrich Schönbrunn und seiner Frau Henny, geborene Lilienthal, aus Steinheim in Westfalen. Seine ältere Schwester Julie Schönbrunn wurde 1876 in Mannheim geboren.
Die Familie Schönbrunn ist schon um 1722 in Bedburg nachgewiesen und gehörte zu den ältesten jüdischen Familien dort. Der Großvater Bernhard Schönbrunn (1807– 1881) war Repräsentant der Kreissynagogengemeinde und ein Mitbegründer der Bedburger Wollindustrie.
Ernst Schönbrunns Vater Heinrich, geboren im Jahr 1849 in Bedburg, kam über Mönchengladbach nach Aachen und war von 1899 bis zu seinem Tod im Jahr 1918 Besitzer der Spinnerei „Schönbrunn & Peters", Viktoriastraße 51. Die Familie selbst lebte 1899 laut Aachener Adressbuch in der Lothringerstraße 68.
Anscheinend erbte Ernst Schönbrunn diese Spinnerei, denn er wird in der „Nachweisung über das Vermögen der Juden in der Stadt Aachen vom 12. November 1938" als Spinnereibesitzer geführt . Am 12. Dezember 1938, ein Monat nach der Reichspogromnacht, wurde die Spinnerei „arisiert" und hieß von da an „Spinnerei Westmark GmbH". Sie bestand bis zum Jahr 1952.
Im Jahr 1908 heiratete Ernst Schönbrunn Anna Goldschmidt, geboren am 11. April 1886 in Köln, Tochter einer Kölner Juwelierfamilie. Wie es seinerzeit üblich war, war Anna Schönbrunn Hausfrau von Beruf. Sie hatten zwei Kinder: Hella Schönbrunn, geboren am 9. Oktober 1910, und Ernst Heinrich Friedemann Schönbrunn, geboren am 21. August 1920. Beide Kinder wurden in Aachen geboren. Die Familie wohnte in der Salierallee 9. Allerdings ist vermerkt, dass Hella Schönbrunn erst am 9. März 1932 wieder in die Salierallee zog. Vielleicht hatte sie vorher an einem anderen Ort ihre Lehre abgeschlossen, Näheres über die Umstände ist nicht bekannt. Hella Schönbrunns Beruf wurde im Jahr 1935 mit Kaufmännische Angestellte angegeben. Im Zuge der „Arisierung jüdischer Häuser" musste die Familie Schönbrunn ihr Haus verlassen und zog in die Försterstraße 28. Im Aachener Adressbuch von 1942 ist die Familie unter dieser Adresse aufgeführt. Das Haus „Salierallee 9" hingegen ist als „unbewohnt" aufgeführt.
Die Zeitzeugin Frau Dr. Charlotte Engels, geboren im Jahr 1925, erzählt: „Mein Vater Johann Heinrich Berndgen war Privatsekretär des Vorstandsvorsitzenden der „Rhein-Braun-A.G." Herrn Dr. Paul Silverberg, wohnhaft in Köln. Nach dessen Emigration in die Schweiz im Jahr 1933 fungierte mein Vater als Vermögensverwalter und stand in ständigem Kontakt mit ihm. Ernst Schönbrunn war mütterlicherseits ein Vetter von Dr. Silverberg. Seine Mutter Theodora war eine Schwester von Heinrich Schönbrunn.
Während des Krieges, ich meine, es war im Jahr 1942, lud mein Vater Herrn und Frau Schönbrunn mit ihrer Tochter Hella zu uns nach Bonn ein. Der Sohn Friedemann Schönbrunn war zu diesem Zeitpunkt schon nach England emigriert. Die Familie Schönbrunn hatte ihre Villa in der Salierallee 9 in Aachen verlassen müssen, und sie lebten in einer erbärmlichen Wohnung in der Försterstraße.
Der Besuch muss im Sommer gewesen sein, denn Hella trug bei einem Spaziergang im Kottenforst ein Sommerkleid. Ich hatte mich sehr auf den Besuch gefreut und war enttäuscht, dass Hella so viel älter war als ich. Sie war mittelgroß und kräftig gebaut mit dunklen, halblangen Haaren. Ich hatte kaum Kontakt mit ihr, denn sie war sehr verschlossen und in sich versunken. Sie machte auf mich einen traurigen Eindruck, und sie schien sich abgekapselt zu haben.
Herrn Schönbrunn habe ich als einen ruhigen, zurückhaltenden Mann in Erinnerung, der sich viel mit meinem Vater unterhielt.
Frau Schönbrunn war eine lebhafte, freundliche Dame, die mit meiner Mutter, ebenfalls Kölnerin, viele gemeinsame Gesprächsthemen hatte. Sie trug einen unscheinbar wirkenden Ring mit einem Stein. Als meine Mutter sie fragte, ob es ein Platinring sei, antwortete sie erschrocken: "Sieht man das?" Sie schien bestürzt zu sein, dass der Wert des Ringes zu erkennen war.
Als Geschenk hatte die Familie Schönbrunn zwei versilberte Aufschnittplatten mitgebracht, die ich heute noch besitze. Meine Eltern hätten dieses Geschenk gerne nach dem Krieg dem Sohn nach England als Erinnerung an seine Eltern zugeschickt und versuchten, Kontakt zu ihm aufzunehmen, aber ohne Erfolg.
Die Familie Schönbrunn blieb nur eine Woche bei uns, obwohl meine Eltern ihnen angeboten hatten, auf unbestimmte Zeit zu bleiben. Ich vermute, dass sie uns nicht gefährden wollten. Nach ihrer Abreise hörten wir nichts mehr von ihnen. Unsere Familie ging davon aus, dass Ernst, Anna und Hella Schönbrunn nach Theresienstadt deportiert worden seien. Ich vermute, dass sie dort umgekommen sind."
Friedemann Schönbrunn emigrierte nach England. Von Ernst, Anna und Hella Schönbrunn gibt es von Sommer 1942 an keine Lebenszeichen mehr. Weder in den Deportationslisten nach Theresienstadt noch in den Todeslisten des Lagers sind ihre Namen verzeichnet.
Quellen: - Juden in Bedburg an der Erft – Spurenfragmente einer Minderheit, dokumentiert von Gerd Friedt, Herausgeber: Verein für Geschichte und Heimatkunde, Bedburg e.V. München 1998. - Paul Silverberg ( 1876 – 1959) Ein Unternehmer von Boris Gehlen, Franz-Steiner-Verlag Stuttgart 2007. - Aachener Adressbücher zwischen 1935–1942. - Gespräche mit Frau Dr. Charlotte Engels am 11. und 29. März 2011. Von der Emanzipation zum Holocaust. Die Israelitische Synagogengemeinde zu Aachen 1801-1942. Geschichtliche Darstellung. Bilder - Dokumente - Tabellen - Listen. 2 Bände. Bearbeitet von Herbert Lepper.- Aachen 1994, S. 1615. Die Heirat fand im Jahr 1908 oder, laut www.-familienbuch-euregio.de, 1909 statt. Ebenda.