Gedenkbuch 2011

Dagobert Pintus
Zitoni Pintus geborene Oppenheimer
Werner Pintus

Von Doris Stiefel geborene Pintus, Seattle (USA)

Familie Pintus
Foto: (von links) Dagobert, Werner und Zitoni Pintus

Dagobert Pintus wurde am 25. April 1885 in Aachen als Sohn von Moritz Pintus und seiner ersten Frau Rosa Pintus, geborene Borchard, geboren. Rosa starb nur wenige Wochen nach der Geburt im Alter von 23 Jahren und wurde auf dem jüdischen Friedhof in Aachen begraben. Ihr Grab befindet sich in der Nähe des Eingangs zum Friedhof.

Dagobert, auch Dago genannt, besuchte die Religions- und Elementarschule der Synagogengemeinde zu Aachen.

Dagos Vater Moritz hatte nach dem Tod seiner ersten Frau Bertha Bernstein geheiratet. Ihre gemeinsamen Kinder, Halbgeschwister von Dago, waren Richard, Walter, Hanna, Erna, Hertha und Erich.

Zusammen mit seinem Halbbruder Richard (meinem Vater), der zwei Jahre jünger war als er, machte Dago an der bekannten Jacobson-Schule in Seesen, einem jüdischen Internat südlich von Salzgitter, seinen Schulabschluss.

Von 1903 bis 1905 war er Volontär beim Kaufhaus Leonard Tietz AG in Düren und arbeitete für dieselbe Firma von 1905 bis 1907 in Aachen.

Seine einjährige Militärpflicht leistete Dago bei der 6. Kompanie, Füsilier-Regiment Fürst Karl Anton von Hohenzollern Nr. 40 ab, das seinen Standort bis 1910 in Aachen hatte.

Im Jahr 1911 arbeitete Dago kurz für die Firma Heillig, Joseph & Co., Importeure für Wollwaren und Schneidereibedarf in Montreal, Kanada.

Während des Ersten Weltkriegs diente Dago in der deutschen Armee und war Kriegsgefangener in Russland.

Am 15. Mai 1922 heiratete er Zitoni, genannt Toni, Oppenheimer in Frankfurt am Main. Toni wurde am 9. März 1896 in Limburg an der Lahn geboren und lebte in Frankfurt am Main.

Ihr Sohn und einziges Kind Werner kam am 28. Mai 1923 in Aachen zur Welt.

Am 22. Mai 1926 schifften sich Dago, Toni und Werner in Bremen auf dem Schiff „München“ nach New York ein. Ihr Ziel war Montreal in Kanada, wo Dago für das International Merchandising Syndicate, Inc., Importeure, als nordamerikanischer Repräsentant für die Rudolph Karstadt AG arbeiten sollte. 1930 zog die Familie nach New York. Dort übernahm Dago die Leitung der amerikanischen Niederlassung dieser Firma und behielt gleichzeitig die Verantwortung für die kanadische Niederlassung.

Ein Brief aus dieser Periode deutet an, dass die Familie viele Hoffnungen für das neue Leben in Amerika hatte. Dann brachte die Weltwirtschaftskrise schwere Zeiten. Dago und seine Familie traf die schicksalhafte Entscheidung, nach Aachen zurückzukehren, und sie lebten dort für kurze Zeit.

Im Jahr 1933 zogen sie nach Paris, wo Werner zur Schule ging und ein ausgezeichneter Schüler war. Dago schlug sich nur mühsam durch. 1936 erhielt er ein Patent für die Erfindung eines neuen Verfahrens für die Sterilisation von Injektionsnadeln und Spritzen.

Bei Ausbruch des Krieges wurde die Familiensituation verzweifelt. In einem Brief vom 16. September 1939 an seinen Bruder Richard, meinen Vater - wir lebten zu dieser Zeit in England -, schrieb Dago, dass er kurz vor der Internierung stehe, ihre Zukunft unsicher und sie mittellos seien. Er bat, dass seine Schwester Hertha Flegenheimer fünf Dollar pro Woche schicken möge zum Unterhalt von Toni, Werner und Tonis betagter Mutter, die bei ihnen lebte.

Anschließend lebten Dago und Werner für eine Weile in Le Puy und im benachbarten Dardelles im unbesetzten Teil Frankreichs. Toni war nach Paris zurückgegangen, um sich um ihre Mutter zu kümmern, und wurde dort verhaftet. Ein Freund lud Dago und Werner ein, zu ihm nach Lyon zu ziehen, was Dago jedoch ablehnte. Der Freund konnte später in die Schweiz flüchten. Dagos Bruder Walter Pintus in den USA hatte Dago ein Affidavit, eine Bürgschaftserklärung, geschickt, und im August 1942 versuchte dieser verzweifelt, ein Visum für Amerika zu bekommen, aber ohne Erfolg. Inzwischen war er ohne eine Nachricht von seiner Frau, und sein Sohn war gerade festgenommen worden. Am 24. Dezember 1942 versuchte Dago, die Pyrenäen nach Spanien zu überqueren, wurde allerdings abgefangen und ebenfalls festgenommen.

Das Schicksal der Familie liest sich so:

Toni Pintus wurde am 29. Juli 1942 mit Transport Nr. 12 aus dem Internierungslager Drancy in Richtung Auschwitz deportiert. Dort kam sie am 31. Juli 1942 an und wird seitdem offiziell vermisst.

Werner Pintus wurde am 14. September 1942 mit Transport Nr. 32 ebenfalls von Drancy nach Auschwitz gebracht. Er erreichte Auschwitz zwei Tage später am 16. September 1942 und wurde wahrscheinlich sofort ermordet.

Dagobert Pintus wurde am 11. Februar 1943 mit Transport Nr. 47 aus dem Lager Drancy nach Auschwitz deportiert und nach der Ankunft am 13. Februar 1943 ermordet.