Gedenkbuch 2019

Bernhard Neckarsulmer

Von Hannelore Herpertz Aachen im Juni 2018

Bernhard Neckarsulmer wurde am 23. Dezember 1844 in Königswinter geboren.1 Seine Eltern waren der Handelsmann Joel Behr Neckarsulmer aus Hersel und seine Frau Carolina, geborene Mendel, aus Königswinter.2

1875 heiratete er Paula Wiesbaden aus Mainz, geboren am 10. Januar 1852.3 Bernhard und Pauline waren jüdischen Glaubens und preußischer Staatsangehörigkeit. Ihre Söhne waren Willy, Walter und Karl.

Willy, am 26. Oktober 1879 in Aachen geboren, trat in die Fußstapfen seines Vaters und wurde Kaufmann.4

Walter wurde am 21. September 1884 in Aachen5 geboren. Bevor er 1939 Deutschland verließ, lebte er in Berlin. In Schweden baute er sich eine neue Existenz auf und gründete eine Familie.6

Karl, am 20. Oktober 1887 ebenfalls in Aachen geboren, war Arzt und nahm am Ersten Weltkrieg als Oberarzt der Reserve teil. Seit 10. Oktober 1918 galt er als vermisst.7 Eine Gedenktafel in der Aachener Synagoge erinnert an die Gefallenen des Ersten Weltkrieges. Unter den Genannten befindet sich auch sein Name.

Wahrscheinlich führte der berufliche Werdegang Bernhards die Eheleute nach Aachen. Von Beruf Kaufmann betrieb Bernhard Neckarsulmer gemeinsam mit seinem elf Jahre älteren Bruder Philipp in Aachen die 1877 gegründete «Firma Gebr. Philipp und Bernhard Neckarsulmer, Tuch und Buckskin en gros, Spezialität in Nouveauté», mit Sitz in der Wilhelmstraße 93.8 Privat lebte die Familie ganz in der Nähe, in der Augustastraße 8.9

Paula Neckarsulmer starb bereits am 13. Dezember 1912.10 Zu diesem Zeitpunkt ist ihr Mann Bernhard in den Adressbüchern als Rentner angegeben.11

In der Augustastraße besaß auch eine Schwester von Bernhard ein Haus. Ob es sich um die Nr. 74 handelte, wo Bernhards Sohn Willy mit seiner Familie zeitweilig wohnte, ist nicht bekannt; wie auch ihr Name und ihre Lebensumstände bislang nicht bekannt sind.12

Bernhard Neckarsulmer war verdientes Mitglied der Synagogengemeinde Aachen. Von 1896–1928 war er Mitglied der Repräsentanten-Versammlung sowie Vorstandsmitglied des Jüdischen Armen-Unterstützungsvereins, des Israelitischen Altenheims und des Wohlfahrts-amtes. Das geht aus einem Zeitungsartikel vom 1. Januar 1935 aus Anlass seines 90. Geburtstags am 23. Dezember 1934 hervor.13

Er war aktiv beteiligt am Zustandekommen des Israelitischen Altenheims. Im April 1910 ergeht ein «Aufruf des Komitees zur Errichtung eines Asyls für Altersschwache und Kranke» an die «verehrlichen Mitglieder» der Synagogengemeinde. Nach einem Überblick über die Entwicklung des zu diesem Zweck 1881 gegründeten Israelitischen Asylvereins endet der Aufruf mit der Ankündigung: «Es werden demnächst Mitglieder des unterzeichneten Komitees sich die Ehre geben, persönlich bei unseren Gemeindemitgliedern vorzusprechen, und wir sind überzeugt, daß sie nirgends leer ausgehen, daß sie überall eine offene Hand und ein warmes jüdisches Herz finden werden.»

Auch diesem Komitee gehörte Bernhard Neckarsulmer als einer von 38 allseits bekannten Persönlichkeiten der Kultusgemeinde an.14

1939, nach der Auswanderung des Sohnes Walter nach Schweden, machte Bernhard ein Testament, in dem er seinen Sohn Willy als Alleinerben einsetzte. Er fürchtete, dass Walters Erbteil wegen dessen Auswanderung von den Nationalsozialisten eingezogen werden könnte. Seine «nicht unbedeutenden Vermögenswerte»15 umfassten das Haus in der Augusta-straße sowie Wertpapiere und Barguthaben im Umfang von 77.911 RM.16

Während des Krieges lebte er im Israelitischen Altenheim in der damaligen Horst-Wessel-Straße 87 – heute Kalverbenden. Am 7. April 1941, im Alter von 96 Jahren, kam er in Aachen ums Leben.17 Genauere Angaben zu seinem Tod gibt es bislang nicht.

Nach Aussage seiner Enkelin Greta Liebel sind Bernhard Neckarsulmer und seine Schwester «in einem KZ verstorben».18

 

 

 

 


  1.         Vgl. Gedenkbuchprojekt für die Opfer der Shoah aus Aachen e.V.
  2.         Vgl. Geburtsurkunde StAmt Königswinter, 18.8.1955.
  3.         Vgl. Familienbuch a.a.O.
  4.         Vgl. Gedenkbuchprojekt a.a.O.
  5.         Vgl. Geburtsurkunde StAmt Aachen, 7.9.1955.
  6.         Vgl. Bezirksregierung Düsseldorf, Wiedergutmachungsakte.
  7.         Vgl. Familienbuch a.a.O.
  8.         Vgl. Ebenda.
  9.         Vgl. Gedenkbuchprojekt a.a.O.
  10.         Vgl. Ebenda.
  11.         Vgl. Stadt Aachen, Adressbücher
  12.         Vgl. Korrespondenz der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit im Auftrag und Rahmen der Einladung der Stadt Aachen im Jahr 1992/Niederschrift der Aussagen von Greta Liebel.
  13.         Vgl. «Gemeindeblatt für den Bezirk der Synagogengemeinde Aachen», Heft 15/Jahrgang 9, Familiennachrichten.
  14.         Vgl. Klein, Bettina: «Spuren jüdischen Lebens in Aachen von 1850 bis 1938», Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Aachen e.V.
  15.         Vgl. Bezirksregierung Düsseldorf, Wiedergutmachungsakte.
  16.         Vgl. Lepper, Herbert a.a.O.
  17.         Vgl. Familienbuch a.a.O.
  18.         Vgl. Korrespondenz der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit im Auftrag und Rahmen der Einladung der Stadt Aachen im Jahr 1992/Niederschrift der Aussagen von Greta Liebel.