Emmy Bernstein geborene Mayer
Von Erica Prean, Großbritannien
Meine Großmutter wurde am 1.1.1883 in Aachen geboren. Ihre Eltern waren Louis Mayer, geboren am 23.2.1854 in Euskirchen, und Marianne, geborene Pelzer, geboren in Bitburg/Eifel am 11.8.1854.
Sie wuchs auf als ein 'Öcher Kind' und besuchte die Viktoriaschule. Das genaue Datum ihrer Hochzeit mit Carl Bernstein ist mir nicht bekannt, aber sie schenkte ihm zwei Töchter: Ellen (*31.8.1906) und Ilse (*22.5.1908), meine Mutter.
Sie war Mitglied des Israelitischen Frauen-Vereins zu Aachen, denn ihr Interesse galt hauptsächlich der Wohltätigkeit und sie arbeitete zusammen mit Frau Rosa Holländer - Anne Franks Großmutter. Ihr Vater hatte den Bau der Synagoge in den 1860er Jahren finanziell unterstützt und war aktives Mitglied der Gemeinde. Als Kind war meine Mutter darüber pikiert, dass ihr Vater die kleinste Thorah in der Synagoge trug – aber er war auch ein kleiner Mann.
Meine Großmutter war nicht religiös und führte keinen koscheren Haushalt. Sie sagte: "Die Sünden gehen nicht in den Mund hinein, sie kommen aus ihm heraus!" Dennoch war sie mitfühlend und an Menschen aller Lebensbereiche interessiert. Ich besuchte oft Kranke und Arme mit ihr, und wir besuchten auch häufig das Altersheim.
Obwohl es ungewöhnlich war für eine Jüdin, sang sie im Aachener Domchor, genau wie ihre beiden Töchter. Das musikalische Niveau war sehr hoch, und man musste ein Vorsingen bestehen, wenn man dem Chor beitreten wollte. Emmys große Leidenschaft war die Musik. Sie besuchte jedes Konzert und jede Oper im Stadttheater. Sie hörte Grammophonplatten und war eine ausgezeichnete Pianistin. Sogar als sie bereits fünfzig war kam ihr Klavierlehrer, der Komponist Josef Eidens, einmal in der Woche in ihr Haus, um sie zu unterrichten und Duette mit ihr zu spielen.
Sie sprach auch Französisch. Darüber hinaus war sie an den bildenden Künsten interessiert. Sie nahm mich schon in jungen Jahren mit in Museen und Kunstgallerien. Sie konnte sticken und ihre Spezialität waren die „Petit-Point-Arbeiten“. Das ist eine besonders feine Stickerei aus halben Kreuzstichen. Sie arbeitete mit einem Stickrahmen und stellte Abendtaschen, Kissenbezüge und ähnliche Dinge als Geschenke her. Einmal in der Woche kamen ihre Freundinnen zu ihr zu einem Bridgenachmittag, mit Kaffee und Kuchen.
Es bedeutete große Freude, mit meiner Großmutter spazieren zu gehen, vor allem in den Aachener Wald. Sie kannte die Namen von Bäumen, Blumen und Vögeln. Sie hatte einen feinen Sinn für Schönheit und genoss die Natur.
Ihr Heim war immer schön geschmückt; es gab überall Blumen - alle Marktfrauen kannten sie! - und ihr Tafelsilber blitzte. Sie war eine gute Köchin und befreundet mit ihren Angestellten. Sie selbst war in bescheidener Weise elegant – ihre Kleidung war meistens schwarz oder blau und weiß.
Ich kann mir keine liebenswertere und besorgtere Großmutter vorstellen. Als ich geboren wurde, 1930, verließ meine Mutter ihren Mann und kehrte zurück in ihr Elternhaus. Meine Großmutter war zu diesem Zeitpunkt 47 Jahre alt. Es war bestimmt nicht einfach für meine Großeltern, plötzlich ein Baby in ihrem Haus zu haben, aber Emmy war eine wundervolle Mutter für mich. Ihre Liebe zur Musik und zur Kunst übertrugen sich auf mich und ich bin ihr zu großer Dankbarkeit verpflichtet.
Sie hat die Erniedrigung und das entsetzliche Ende nicht verdient – all diese Hässlichkeit, wo sie doch die Schönheit liebte. Ich nehme an, dass sie nach der Deportation nach Izbica 1942 in einem Gaswagen in Chelmo ermordet wurde. Sie war damals 59 Jahre alt.
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Der Nazipropaganda zufolge hatte Deutschland den Krieg wegen der Juden verloren und sie hätten davon profitiert. Tatsächlich betrachteten die deutschen Juden sich selbst als Deutsche. Die drei Männer, die meiner Großmutter am nächsten standen, hatten alle in der Armee gedient: Ihr Ehemann, ihr Bruder und ihr Cousin ersten Grades.
Der Bruder meiner Großmutter, Dr. Hermann Mayer, studierte in der Schweiz bei einem berühmten Dermatologen als der Krieg erklärt wurde. Er kehrte umgehend zurück, wurde Oberarzt der Reserve und Bataillonsarzt eines Reserve-Infanterie-Regiments. Er pflegte gerade Verletzte an der Ostfront, als er von einer Granate getötet wurde, die in seinen Schützengraben geworfen wurde. Es war der 1.7.1917. Am 23.8.1917 wäre er 30 Jahre alt geworden. Er war Inhaber des Eisernen Kreuzes I. und II. Klasse.
Sein Cousin ersten Grades, Hermann Pelzer, wurde an der Westfront getötet. Er ist in Bitburg begraben.