Gedenkbuch 2008

Isaak Lucas und Hedwig Lucas geborene Sulzberger

Von Dr. Rudolf Wagemann, Stolberg

Isaak Lucas wurde am 26. Oktober 1878 in Hoengen, Landkreis Aachen, geboren. Seine Eltern waren Lucas Lucas, geboren 1825 in Warden, gestorben 1899 in Hoengen, und Jetta Lichtenstein, geboren 1834 in Waldenrath, gestorben 1914 in Hoengen. Er war das vierte von insgesamt acht Kindern. Von seinen Geschwistern war die vierzehn Jahre ältere Schwester Rosalie von besonderer Wichtigkeit. Sie blieb ledig, bewahrte bis zu ihrem Tod im Jahr 1940 lebenslang das elterliche Haus in Hoengen.

Bis ins 14. Lebensjahr besuchte Isaak die kleine jüdische Schule im nah gelegenen Langweiler, wo auch die seit 1857 bestehende Synagoge war. Aufgrund seiner außerordentlichen Körperkraft verschaffte sich Isaak sowohl in der Schule, als auch beim späteren Militärdienst, 1899-1901, den notwendigen Respekt bei seinen immer wieder zu Diskriminierungen neigenden andersgläubigen Altersgenossen. Allzu gern wäre er zum Gymnasium gegangen, aber seine Eltern erlaubten es ihm nicht.

Nur eine Woche arbeitete er als Lehrling in einem alteingesessenen Jülicher Tuchhandel. Dann gab er die Lehrstelle auf und stieg in den heimischen Viehhandel ein. Er hatte einfach nicht ertragen, sich als Lehrling, wie damals üblich, von jedem Kollegen herumkommandieren zu lassen. Im Viehhandel außerordentlich geschickt und fleißig kaufte er sich bereits mit 17 Jahren für seine ausgedehnten Kundenbesuche über Land einen zweirädrigen Einspänner. Zu Hause oblag es ihm, als dem kräftigsten, jeden Abend seinen an den Rollstuhl gefesselten Vater die Treppe hoch zum Bett zu tragen.

Seit etwa 1905 war er begeisterter Anhänger der zionistischen Idee eines jüdischen Staates im Land der Väter, in Palästina. In jener Zeit wurde ihm auch das Elternhaus in Hoengen zu eng, in dem nach dem Tod des Vaters die Mutter und die „große Schwester“ den Ton angaben. Allerdings spielten auch geschäftliche Aspekte bei seinem Umzug nach Aachen eine Rolle. Der Anmietung einer möblierten Wohnung mit einem „Gesellschaftsraum“, dessen Boden mit Teppichen ausgelegt war, stand der Rest der Familie ziemlich verständnislos gegenüber.

Mit seiner Brautwahl mutete er seinen Lieben noch mehr zu: 1911 heiratete er die 1885 geborene Hedwig Sulzberger aus Wiesbaden, eine Städterin(!) aus einer orthodoxen Rabbiner- und Gelehrtenfamilie. Mit ihr bezog er das neu angekaufte Haus Kasinostraße 50, in der Nähe des Aachener Hauptbahnhofs.

Im 1914 ausgebrochenen Ersten Weltkrieg musste er wieder den ungeliebten Soldatenrock anlegen und für Kaiser und Reich in den Krieg ziehen. Eine Beförderung über den Korporalsrang hinaus wurde ihm abgelehnt, weil er Jude war. Fast wäre er noch 1918 vor dem Kriegsgericht gelandet, weil er einen Offizier niederschlug, der einen russischen Gefangenen misshandelte.

Zur Vergrößerung seines Viehhandels erstand Isaak Lucas 1920 das Anwesen Trierer Straße 285 in AachenForst und erweiterte es erheblich. Einige Jahre später besuchte er, als größter Viehhändler des Aachener Bereichs seine Kunden mit Automobil und Chauffeur.

Ein Höhepunkt in Isaak Lucas Leben war die feierliche Einweihung der Hoengener Synagoge im Jahr 1926, deren Bau von der Großfamilie Lucas, der sogenannten Herrschaft, finanziert worden war.

Isaacs junge Frau Hedwig schenkte drei Kindern das Leben: Dem Sohn Eric und den Töchtern Ruth und Ina, die noch rechtzeitig vor der Shoah ins Ausland entkamen. Mit der Not der Weltwirtschaftskrise im Jahr 1929 erstarkte die NSDAP und die Warnzeichen des in Deutschland aufziehenden, radikalen Antisemitismus wurden immer drohender.

Nach Hitlers Machtübernahme 1933 folgte ein Schlag gegen die jüdischen Mitbürger dem anderen. Der schwerste Schlag für den Viehhändler Isaak Lucas, wie auch für seine Kollegen, war das Verbot im Jahr 1938, Viehhandel zu treiben und Viehmärkte zu betreten. Die Reichspogromnacht vom 9. November 1938 erlebten Isaak und Hedwig Lucas als gebrochene alte Menschen. Vor den Augen der jüdischen Mitbürger brach ein rasender Mob unter dem Schutz der SA die erst 1926 eingeweihte Synagoge der „Herrschaft“ in der Hoengener Schillerstraße Stein für Stein nieder. In der Folgezeit wurde Isaak Lucas gezwungen, seinen Hof zu verschleudern. Das Ehepaar Lucas durfte – allerdings sehr beengt – vorläufig dort wohnen bleiben.

Die Deportation nach Polen erfolgte schließlich 1941. Ein letztes Lebenszeichen enthält eine Mitteilung des Deutschen Roten Kreuzes an den im Februar 1939 nach England entkommenen Sohn Eric Lucas vom 18. Dezember 1941. Sie kommt wahrscheinlich aus einem Deportationslager. Isaak Lucas und seine Frau Hedwig wurden 1942 oder 1943 in einem der Vernichtungslager auf polnischem Boden ermordet.

Neben der Schwester Rosalie hatte Isaak Lucas noch sieben Geschwister. Während Bruder Selig bereits 1926 verstarb, wurde mindestens noch sein Bruder Michael in gleicher Weise wie Isaak ermordet. Die Schwestern Hanna und Emma entkamen mit ihren Männern Josef Keller und Hermann Elkan dem Holocaust, weil sie noch rechtzeitig ihren bereits früher geflüchteten Kindern folgten. Über drei weitere Geschwister enthält der zitierte Bericht keine Angaben.